Es gab sie erst in Japan. Jetzt gibt es sie auch in Moskau, London, Amsterdam, Xi‘an, New York und natürlich auch in Deutschland: die Kapselhotels, die abenteuerlichen Jugendunterkünfte oder wie sie von Klaustrophobiker genannt werden „die Sarghotels“. Die Größe, Farbe, Anordnung sowie Ausstattung variiert stark zwischen den einzelnen Hotels und den jeweiligen Schlafkabinen.
Wer kann sich schon vorstellen, in längs oder quer und übereinander angeordneten „Plastiksärgen“ mit vielleicht hunderten von fremden Mitschläfern, nur getrennt durch eine Plastikwand, „geschützt“ nur mit einem Rollo-Sichtschutz, ruhig und friedlich zu schlafen? Nichts für Klaustrophobiker, es sei denn, er würde sich hier bewusst einer Konfrontationstherapie aussetzen wollen. Und dennoch ist diese Art der Übernachtung nicht nur in Japan sehr beliebt und äußerst bequem.
Das erste Kapselhotel entstand in Osaka (Japan) vor 34 Jahren. Diese skurrile Form des Übernachtungsschließfaches wurde durch den Mangel an preiswerten Übernachtungsmöglichkeiten in Vergnügungsvierteln, Flughäfen und in bahnhofsnahe Stadtgebieten geboren. Somit waren diese ersten Kapselhotels in Japan für Pendler ohne zeitnahen Anschlusszug, Geschäftsleute mit wenig Gepäck und Jugendliche gegründet worden. Weitere Kapselhotels entstanden in Kyoto und Tokio. Inzwischen ist diese Hotelart in Japan stark verbreitet und beliebt. Man findet auf kleinstem Raum alles, was man für eine Übernachtung benötigt. Die Kapseln sind zwei Meter lang, zwischen ein und zwei Meter hoch und haben die Breite eines normalen Bettes. Diese Plastikschlafkisten sind nebeneinander und übereinander untergebracht, sodass teilweise eine bienenwabenähnliche Form entsteht. In manchen Hotels findet man zwanzig Schlafkapseln in anderen Hunderte. Diese Kaseln haben keine Türen, sondern werden nur mit einem Rollo oder Vorhang verschlossen. Das Sitzen in diesem Miniraum ist möglich, das Liegen soll sogar sehr bequem sein und die Ausstattung mit Fernseher, Spiegel, Notfallknopf, Radio, Leselampe und Wecker komfortabel. Manche der Kapseln sind auch klimatisiert. Gepäckstücke und Kleidung wird in einen abschließbaren Spind oder an der Rezeption abgegeben. Im nach Geschlechtern getrennten Gemeinschaftsbaderaum sind alle erforderlichen Hygieneartikel bereits vorhanden, wie Einwegrasierer, Hausanzug, Hausschuhe, sterilisierter Kamm, Föhn, Creme, Watte, Seife, Badetücher oder Shampoo. Speisen und Getränke können an entsprechenden Automaten im Hotel gezogen werden. In einigen dieser Hotels werden jedoch keine Frauen aufgenommen und die Kapselhotels verweigern tätowierten Männern die Übernachtung. Etwas luxuriöser mit verstellbaren Härtegraden der Matratzen ist das „Hotel 9h“ in Kyoto. Die Preise bewegen sich zwischen 25 und 50 EURO pro Nacht.
Wenn man in Japan in einem Mehrkapselhotel mit nur einem Sichtschutz übernachten möchte, sollte man jedoch die Ohrstöpsel nicht vergessen, denn die dünnen Plastikwände lassen jedes Geräusch durch. Auch oder gerade, weil die Privatsphäre in solch einer Schlafzelle nur im geringen Maße gewährleistet werden kann, ist das Übernachten in einer kleinen Schlafkapsel durchaus ein lohnenswertes, geselliges und gemütliches Abenteuer und die beste Möglichkeit, mit den freundlichen Japanern ins Gespräch zu kommen.
Hochtechnologisierte, schicke Schlafboxen, inspiriert von den Japanern, gibt es in London an den Flughäfen Heathrow und Gatwick, um den Fluggästen lange Wartezeiten an Flüge zu erleichtern. Diese größeren Kapselzimmer sind mit Duschen, WLAN, Betten, Fernsehen und Schreibtischen ausgestattet.
Ähnliche luxuriöse, futuristisch-anmutende Schlafkapseln befinden sich am New Yorker Times Square (300,00 EUR pro Nacht für einen Last-Minute-Bucher) und im Flughafen Schiphol in Amsterdam. Diese Schlaf- und Duschgelegenheiten sind stündlich buchbar.
In der chinesischen Stadt Xi‘an befindet sich ebenfalls ein Kapselhotel, das „Xi’an Youth Capsule Hotel“ mit 95 wabenmäßig eingerichteten Schlafzellen. Sie sind jeweils zusätzlich mit einem kleinen Tresor und einem Feuerlöscher ausgerüstet. Bemerkenswert ist der geringe Preis von 8,60 bis 9,30 EUR pro Übernachtung.
Auch der Moskauer Flughafen bietet Fluggästen 50 kleine schalldichte Schlafkapseln ohne Duschen im „Sleepbox Hotel“ für etwa 30 bis 40 EUR pro Nacht an. Diese Schlafboxen können teilweise auch mehrere Person beherbergen. Der Luxus beschränkt sich dabei auf die Betten, eine Lampe, ein Schrank und ein Tisch.
Das bisher einzige, wenn auch bewährte, Kapselhotel in Deutschland befindet sich im Münchener Flughafen. Diese fensterlosen „Napcabs“ stehen im Terminal 2, Level 04 und Level 05. Die Kosten variieren zwischen 15,00 EUR für die ersten 15 Minuten und 60 EUR für eine nächtliche Übernachtung. Diese Kapselräume sind mit Tisch, Bett sowie Multimedia-Station mit einer Anzeige der baldigen Abflüge ausgestattet.
Im Gegensatz zu den Kapselhotels außerhalb von Japan, bietet das Kapselhotel in Tokio Shinjuku 510 auch längerfristige Kapselübernachtungen an. Ein Drittel der vorhandenen 300 Schlafächer werden monatlich mit einer Art Mengenrabatt vermietet. Aufgrund der steigenden Arbeitslosenratein Japan und der hohen Wohnungspreise in Tokio haben Obdachlose mit einer Sondererlaubnis die Möglichkeit erhalten, diese Übernachtungskapsel als festen Wohnsitz anzumelden. Ein fester Wohnsitz ist eine zwingende Voraussetzung für eine Jobbewerbung und daher das Sprungbrett dieser Leute, sich wieder aktiv um eine bessere Zukunft kümmern zu kommen.
Somit ist ein Kapselhotel nicht nur etwas für Reisende, die ein Abenteuer suchen oder nicht viel für ihr Hotelzimmer ausgeben wollen, sondern auch für manche Japaner ein Start ins neue Leben.